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Rechtsanwalt Jörg Matthews

Auskunft gegenüber Pflichtteilsberechtigten – Belege sind nur im Einzelfall vorzulegen

Autor: Jörg Matthews

Thema: Erbrecht

Veröffentlicht am: 1. November 2021

Das Oberlandesgericht München hat in seiner Entscheidung vom 23.08.2021 (Az. 33 U 325/21) festgehalten, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber nicht verpflichtet ist, zu sämtlichen Auskünften, die zur Ermittlung der Pflichtteilsansprüche im Hinblick auf den Umfang des Nachlasses zu erteilen sind, umfassend Belege vorzulegen.

 

Konkret wollte der auf Auskunft klagende Pflichtteilsberechtigte sämtliche Kontoauszüge einsehen und wollte wissen, ob und wem die Erblasserin Vollmacht erteilt hatte, über ihr Vermögen, insbesondere über ihre Bankkonten zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderungen des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen. Weiter wollte der Pflichtteilsberechtigte bei Kapitalvermögen die Mitteilung an die Erbschaftssteuerstelle gemäß § 33 EStG einsehen. In allen Punkten erteilte das Gericht dem Auskunftsberechtigten eine Absage und wies die Klage zurück. „Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen.“ heißt es hierzu im Leitsatz der Entscheidung.

 

Dem Pflichtteilsberechtigten steht aus § 2314 BGB nur ein Recht auf Auskunft über sämtliches Aktiv- und Passivvermögens des Erblassers zu.

 

Auf die Vorlage von Belegen zum Nachweis dessen oder dem Nachvollziehen der Vermögensentwicklung erstreckt sich dies grundsätzlich nicht. Eine Pflicht zur Vorlage von Belegen besteht ausnahmsweise dann, wenn ein Unternehmen zum Nachlass gehört und die Beurteilung seines Wertes ohne Kenntnis insbesondere der Bilanzen und ähnlicher Unterlagen dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich wäre. Eine Vorlage von Belegen kann ausnahmsweise auch dann gefordert werden, wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss ist und die Vorlage einzelner Unterlagen erforderlich ist, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Gegenstände selbst abschätzen kann. Bei Grundstücken mögen daher die Angaben zu Größe, Ausstattung und Alter einer Immobilie erforderlich sein. Es besteht im Hinblick auf die Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs kein Anlass, darüber Auskunft zu erhalten, wer kontobevollmächtigt ist oder war. Auch hat der Pflichtteilsberechtigte, so entschied das OLG München, keinen Anspruch auf Einsicht in die Erklärungen, die Geldinstitute zur Vorlage beim Finanzamt erstellen.

 

Dass derartige Belege in der Praxis häufig vorgelegt werden, um die Auskunftserteilung durchzuführen und die Verhältnisse offen zu legen, ändert nichts am Umstand, dass hierauf kein Anspruch besteht. Die Entscheidung des OLG München zeigt einmal mehr, dass der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten kein Instrument neugieriger Verwandter ist, Einblicke in die Vermögensentwicklung und -verwendung des Verstorbenen zu erhalten, auch wenn dies umgekehrt zur Folge hat, dass es dem Pflichtteilsberechtigten erheblich erschwert ist, Klarheit darüber zu erlangen, ob der Erbe alle Vermögenspositionen vollständig und richtig angegeben hat. Dies auch und gerade dann, wenn zu Lebzeiten des Erblassers Vermögen verschoben wurde, um den Pflichtteilsberechtigten schlechter zu stellen. Steht eine solche Vermutung im Raum, muss der Auskunftsberechtigte subtiler vorgehen, um an die nötigen Informationen zu gelangen, als der Kläger im hier wiedergegebenen Fall einer auf Vorlage aller Unterlagen gerichteten Klage.

 

Anzumerken ist, dass sich die Auskunft zum Pflichtteilsanspruch auch auf den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB erstreckt.

 

Der Erbe hat dem Pflichtteilsberechtigten daher Auskunft darüber zu geben, ob und in welcher Höhe der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen gemacht hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2018 – 7 U 9/17). Auch hier geht es jedoch allein um die Frage, welches Vermögen verschenkt wurde, nicht um die Vorlage aller Unterlagen und Belege zu diesen Vorgängen.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 23.08.2021 – 33 U 325/21

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