Absehen vom Regelfahrverbot bei nur pauschaler Behauptung zum drohenden Verlust des Arbeitsplatzes nicht gerechtfertigt

Das Oberlandesgericht Hamm entschied mit Beschluss vom 03.03.2022, dass allein die pauschale und nicht näher belegte Behauptung des Betroffenen und eine schriftliche Bestätigung durch den Arbeitgeber zum drohenden Verlust des Arbeitsplatzes kein Absehen vom Regelfahrverbot wegen drohender unbilliger Härte rechtfertigt. Vielmehr müsse das Tatgericht die Angaben des Betroffenen und seines Arbeitgebers genau überprüfen.

Der Betroffene wurde vom Amtsgericht Essen im Dezember 2021 wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt. Das Gericht sah jedoch von der Verhängung des Regelfahrverbots ab, weil der Betroffene angab, ansonsten seinen Arbeitsplatz zu verlieren. So sei er in einem großen Autohaus als Verkaufsberater tätig und zu seinen Aufgaben gehöre die Durchführung von Überführungs- und Probefahrten mit gebrauchten Fahrzeugen. Zudem bestätigte sein Arbeitgeber schriftlich, dass er sich im Falle eines Fahrverbots arbeitsrechtliche Sanktionen, insbesondere auch eine Kündigung, vorbehalte. Aus betrieblichen Gründen sei es auch nicht möglich, ihm einen zusammenhängenden Urlaub von drei Wochen zu gewähren. Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung des Regelfahrverbots abzusehen, Rechtsbeschwerde ein und hatte Erfolg.

Das OLG Hamm ist der Ansicht, dass die pauschalen und nicht näher belegten Angaben des Betroffenen und des Arbeitgebers für sich genommen kein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen. Das Tatgericht müsse diese Behauptungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen und im Urteil konkret darlegen, aus welchen Gründen es die Angaben für glaubhaft halte.

Im gegenständlichen Fall bestünden aber Zweifel an der Richtigkeit des drohenden Arbeitsplatzverlustes im Falle eines Fahrverbots. Um die naheliegende Vermutung einer bloßen Gefälligkeitsbescheinigung zu widerlegen, sei das Tatgericht angehalten, den Geschäftsführer oder verantwortlichen Personalsachbearbeiter im Prozess als Zeugen zu vernehmen, wobei nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass kurzfristige Fahrerverbote ohnehin nur ausnahmsweise eine Kündigung rechtfertigen.

Angesichts des Umstandes, dass es sich um ein größeres Autohaus handele, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, weshalb dem Betroffenen kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden könne, sodass ein Teil der Fahrverbotsfrist in seinem Urlaub liegen würde. Daher seien konkrete Feststellungen dazu geboten, wie viele Mitarbeiter in dem Autohaus arbeiten und welche konkreten betrieblichen Belange gegen die Gewährung des zusammenhängenden Urlaubs sprechen.

Zudem hätte es auch einer näheren Darlegung der Gründe bedurft, wieso der Arbeitgeber den Betroffenen in dem doch überschaubaren Zeitraum des Fahrverbots nicht anderweitig beschäftigen hätte können. Als Verkaufsberater könne er wohl auch ausschließlich in den Verkaufsräumen des Autohauses tätig sein und dort Verkaufsgespräche führen und die Kunden beraten.


OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22

11.05.2022, 14:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht