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Rechtsanwalt Jochen König

Vormerkungsschutz in der Insolvenz bei unentgeltlichem Grundgeschäft

Autor: Jochen König

Thema: Insolvenzantragstellung und Begleitung im Insolvenzverfahren

Veröffentlicht am: 21. Mai 2021

Die Rechtshandlung gilt, sofern die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Eintragung der Vormerkung erfüllt sind, auch dann mit dem Zeitpunkt der Antragstellung als vorgenommen, wenn mit der Vormerkung lediglich ein künftiger, auf einem unentgeltlichen Grundgeschäft beruhender Auflassungsanspruch gesichert wird.

Hat der Schuldner dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung früher als vier Jahre vor der Anfechtung gewährt, kann diese der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner das Grundgeschäft mit dem anderen Teil bekannten Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen.

 

(BGH, Urteil vom 25. März 2021 – IX ZR 70/20 –, juris)

Anmerkung

Eine interessante Entscheidung des BGH, die auch aufzeigt, welch Möglichkeiten für benachteiligte Gläubiger auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Gesetzgeber mit dem Anfechtungsgesetz (AnfG) geschaffen hat, um benachteiligende Handlungen zu korrigieren.

 

Sachverhalt

Die Kläger sind die Eltern des M.   B.   (nachfolgend: Schuldner).

Der Schuldner war Eigentümer eines mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks in Mainz. Mit notarieller Urkunde vom 13. November 2012 unterbreitete er den Klägern ein unbefristetes und unwiderrufliches Kaufvertragsangebot über das Hausgrundstück. Er bewilligte und beantragte die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Kläger jeweils zur Hälfte in Bruchteilsgemeinschaft. Anstelle eines bar zu erbringenden Kaufpreises sollten sich die Kläger zur Übernahme von zwei auf dem Grundstück lastenden Grundschulden von nominal jeweils 200.000 € sowie einer weiteren – zugunsten der Klägerin zu 1 bestellten – Grundschuld von nominal 86.000 € verpflichten. Für den Fall der Annahme des Vertragsangebotes bevollmächtigte der Schuldner die Kläger unwiderruflich, die Auflassung des Vertragsgegenstandes zu erklären und dessen Umschreibung sowie alle sonstigen Eintragungen im Grundbuch zu bewilligen. Die Eintragung der Auflassungsvormerkung erfolgte am 20. November 2012. Mit notarieller Urkunde vom 18. Dezember 2014 nahmen die Kläger das Kaufvertragsangebot an.

 

Die Bestellung der weiteren Grundschuld des Schuldners zugunsten der Klägerin zu 1 war Gegenstand einer am 30. Dezember 2014 bei dem Landgericht Mainz erhobenen Anfechtungsklage des Beklagten zu 1 gegen die Klägerin zu 1. Nach erstinstanzlicher Klageabweisung holte das Oberlandesgericht Koblenz im Berufungsverfahren (3 U 1121/15) ein Gutachten des Sachverständigen R. ein.

 

Die Beklagten haben gegen den Schuldner Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 233.905,70 €, die durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Oktober 2014 tituliert sind. Dem Urteil lag eine Schadensersatzklage zugrunde, die dem Schuldner am 24. August 2012 zugestellt worden war. Am 20. Januar 2015 gab der Schuldner auf Betreiben des Beklagten zu 1 die Vermögensauskunft ab. Am 16. Februar 2015 beantragten die Beklagten die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken auf dem Hausgrundstück des Schuldners; diese erfolgte am 28. April 2015. Am 21. Oktober 2015 wurden die Kläger in Bruchteilsgemeinschaft jeweils zur Hälfte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

 

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Bewilligung der Löschung der Zwangssicherungshypotheken in Anspruch. Mit der erstinstanzlich am 29. Juni 2018 eingegangenen und unter anderem auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Widerklage haben die Beklagten die Anfechtung der „am 20. November 2012 eingetragenen Auflassungsvormerkung“ sowie „der Auflassung vom 18. Dezember 2014“ erklärt und sich hierbei auf § 3 Abs. 1 AnfG und § 4 Abs. 1 AnfG gestützt.

 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert, die Klage abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Hierzu der BGH u.a.:

 

“(…) 1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch der vorrangig vormerkungsgesicherten Kläger auf Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypotheken gemäß § 883 Abs. 2, § 888 Abs. 1 BGB entstanden ist.

 

2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich jedoch eine Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragung, die dem Anspruch der Kläger einredeweise entgegengehalten werden könnte (§ 9 AnfG), nicht bejahen.

 

a) Auf den Streitfall findet das Anfechtungsgesetz in der ab dem 5. April 2017 geltenden Fassung Anwendung, weil die Anfechtbarkeit erst mit der am 9. Juli 2018 zugestellten Widerklage vom 29. Juni 2018 gerichtlich geltend gemacht worden ist (vgl. § 20 Abs. 4 AnfG).

 

b) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Anfechtungsberechtigung der Beklagten mit selbständig tragender Begründung gemäß § 2 Fall 2 AnfG bejaht. Dabei hat es erkannt, dass die Voraussetzungen des § 2 AnfG zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz vorliegen müssen (vgl. Huber, AnfG, 11. Aufl., § 2 Rn. 6; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 2 Rn. 10, 56).

 

Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts hin, das Hausgrundstück sei Anfang des Jahres 2015 der einzige verbliebene Vermögenswert des Schuldners gewesen. An die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, der Schuldner habe nach Abgabe der Vermögensauskunft im Jahr 2015 seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht – und erst recht nicht in dem zur Begleichung der ganz erheblichen Forderungen der Beklagten nötigen Umfang – wiedererlangt, ist das Revisionsgericht nach § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Es kann lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14, NJW 2016, 942 Rn. 32; vom 19. September 2019 – IX ZR 22/17, NJW 2020, 843 Rn. 20). Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts hält diesen Anforderungen stand.

 

c) Gegenstand der anfechtungsrechtlichen Beurteilung ist die in Vollzug des notariellen Kaufvertragsangebotes vom 13. November 2012 erfolgte Übertragung des Eigentums an dem Hausgrundstück. Da die Einzelgläubigeranfechtung lediglich die Wiedererschließung der Zugriffslage für einen einzelnen Gläubiger und nicht das Zusammenhalten einer Masse bezweckt, kann eine Rechtshandlung nicht für sich betrachtet werden, sondern nur im Rahmen des Gesamtvorganges, der die Weggabe des Gegenstandes aus dem Schuldnervermögen und damit die Vereitelung einer Zugriffsmöglichkeit betrifft. Gegenstand der Anfechtung ist also der gesamte, diesen Rechtserfolg auslösende Vorgang (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – IX ZR 202/07, NJW-RR 2009, 190 Rn. 24; vom 11. März 2010 – IX ZR 104/09, NJW-RR 2010, 980 Rn. 12; s. auch Huber, AnfG, 11. Aufl., § 1 Rn. 12 f und § 4 Rn. 23; Kindl/Meller-Hannich/Haertlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 1 AnfG Rn. 7). Dieser begann mit der Abgabe des notariellen Kaufvertragsangebotes durch den Schuldner am 13. November 2012 und endete mit der Eintragung der Kläger als Eigentümer im Grundbuch am 21. Oktober 2015.

 

d) Das Berufungsgericht hat sich allein auf § 4 Abs. 1 AnfG gestützt und ausdrücklich dahinstehen lassen, ob auch die Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 AnfG erfüllt sind. Die Anfechtung der Eigentumsübertragung gemäß § 4 Abs. 1 AnfG greift aber schon deshalb nicht durch, weil die Anfechtung der Beklagten außerhalb der Vierjahresfrist erfolgt ist. Der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG maßgebliche Zeitpunkt war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Zeitpunkt der Auflassung am 18. Dezember 2014, sondern (spätestens) derjenige der Eintragung der Vormerkung am 20. November 2012. Damit erfolgte die – nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts – erstmalige Geltendmachung der Anfechtbarkeit (vgl. § 7 Abs. 1 AnfG) mit der Widerklage vom 29. Juni 2018 zu spät. Dementsprechend ist auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Widerklage rechtsfehlerhaft.

 

aa) Für die Fristberechnung nach § 4 Abs. 1 AnfG kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung an (vgl. MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 4 Rn. 26).

 

(1) Nach § 8 Abs. 1 AnfG gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Absatz 2 dieser Vorschrift verlegt bei Registergeschäften den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung vor und begünstigt hierdurch die Rechtsstellung des Anfechtungsgegners (vgl. Huber, AnfG, 11. Aufl., § 8 Rn. 4).

(2) Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AnfG gilt ein Rechtsgeschäft, für dessen Wirksamwerden die Eintragung im Grundbuch erforderlich ist, als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG lässt für den Eintritt der in § 8 Abs. 2 Satz 1 AnfG beschriebenen Wirkung bereits den Antrag auf Eintragung einer Vormerkung genügen. Eine bindende Auflassungserklärung ist für die Vorverlagerung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – IX ZR 203/06, WM 2010, 274 Rn. 10). Die Vorverlagerung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG setzt allerdings voraus, dass auch die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Eintragung der Vormerkung gegeben sind (vgl. zu § 140 InsO: Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 140 Rn. 19). Im Hinblick auf den Grundsatz der strengen Akzessorietät ist mithin das Vorhandensein eines zu sichernden schuldrechtlichen Anspruchs auf eine eintragungsfähige dingliche Rechtsänderung notwendig (vgl. Gehrlein, aaO). Hierbei steht es der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG nicht entgegen, dass durch die Vormerkung – wie hier – lediglich ein künftiger Anspruch gesichert wird, sofern der Rechtsboden für seine Entstehung soweit vorbereitet ist, dass die Entstehung des Anspruches nur noch vom Willen des künftigen Anspruchsinhabers abhängt (vgl. zu § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO: Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 37, 38; Bartels in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 140 Rn. 168; Michel in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl., § 140 Rn. 97; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 56; noch zur KO: Denck, NJW 1984, 1009, 1010 f; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. September 2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1, 3; vom 9. März 2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319 Rn. 12; a.A. wohl HK-InsO/Thole, 10. Aufl., § 140 Rn. 13).

 

(3) Bei auf den Wortlaut gestützter Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG gilt die Rechtshandlung – nämlich die in Vollzug des notariellen Kaufvertragsangebotes erfolgte Eigentumsübertragung – als spätestens am 20. November 2012 vorgenommen. Mit der Eintragung der Vormerkung an diesem Tag haben die Kläger die von § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG vorausgesetzte sichere Rechtsstellung erlangt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rn. 23).

 

bb) Das Berufungsgericht hat eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 2 AnfG für den – nach seinen Feststellungen gegebenen – Fall vorgenommen, dass der Auflassungsvormerkung ein unentgeltliches Grundgeschäft zugrunde liegt. Nicht der Zeitpunkt des Antrages auf Eintragung einer Vormerkung, sondern frühestens der Zeitpunkt der Auflassung soll maßgeblich sein. Dieser Auffassung ist aus den nachfolgenden Erwägungen nicht zu folgen.

 

(1) Schon der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG differenziert im Hinblick auf den Beginn der Anfechtungsfrist nicht nach der Causa der Vormerkung. § 8 AnfG bestimmt für alle Anfechtungstatbestände einheitlich und verbindlich, wann eine Rechtshandlung als vorgenommen gilt. Die Vorschrift dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. Huber, AnfG, 11. Aufl., § 8 Rn. 1; zum gleichlautenden § 140 InsO: MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 1; Leithaus/Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl., § 140 Rn. 1).

 

(2) Auch die mehrstufige Systematik des § 8 AnfG spricht für eine uneingeschränkte Privilegierung vormerkungsgesicherter Ansprüche. Absatz 1 und 2 der Norm stehen in einem Regel-/Ausnahmeverhältnis. Absatz 1 bestimmt als Zeitpunkt der Vornahme des anfechtbaren Rechtsgeschäfts denjenigen, in dem seine rechtlichen Wirkungen eintreten. Absatz 2 schränkt dies in Satz 1 für Registergüter generell wieder ein und vertieft diese Einschränkung in Satz 2 bei vormerkungsgesicherten Ansprüchen, ohne weitergehende Differenzierungen vorzunehmen.
(3) Nach Sinn und Zweck des § 8 AnfG ist eine einschränkende Auslegung nicht geboten.

 

(a) § 8 AnfG folgt ebenso wie der gleichlautende § 140 InsO ausnahmslos dem Rechtsgedanken, dass sich der Vornahme- und Wirkungszeitpunkt einer angefochtenen Rechtshandlung danach bestimmt, wann der Anfechtungsgegner durch sie eine gesicherte Rechtsstellung erlangt hat, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 166; BGH, Urteil vom 23. März 2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 Rn. 13; vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 Rn. 12; vom 10. Dezember 2009 – IX ZR 203/06, WM 2010, 274 Rn. 7).

 

(b) Mit diesem Rechtsgedanken steht die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG in Einklang, denn ein vormerkungsgesicherter Anspruch ist grundsätzlich gemäß § 106 Abs. 1 InsO insolvenzfest. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vertragspartner einen vormerkungsgesicherten Anspruch nach § 106 Abs. 1 InsO durchsetzen und damit den Gläubigern des Insolvenzschuldners das Recht, auf das der vormerkungsgesicherte Anspruch gerichtet ist, als Haftungsobjekt entziehen. Eine Verfügung des Insolvenzverwalters über diesen Bestandteil des Schuldnervermögens ist dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam, soweit sie den vormerkungsgesicherten Anspruch vereitelt oder beeinträchtigt (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB). § 106 Abs. 1 InsO verleiht dem vormerkungsgesicherten Verschaffungsanspruch Aussonderungskraft (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1, 5; Beschluss vom 13. März 2008 – IX ZB 39/05, WM 2008, 1034 Rn. 11) und schließt im Umfang der Sicherungswirkung der Vormerkung die Anwendung des § 103 InsO aus (vgl. Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 106 Rn. 33; HK-InsO/Marotzke, 10. Aufl., § 106 Rn. 1). Da auch künftige Ansprüche durch eine Vormerkung gesichert werden können (§ 883 Abs. 1 Satz 2 BGB), unterfallen diese ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 InsO, sofern ein sicherer Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs vorbereitet ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1, 3; MünchKomm-InsO/Vuia, 4. Aufl., § 106 Rn. 8; Schmidt/Ringstmeier, InsO, 19. Aufl., § 106 Rn. 10 f; Uhlenbruck/Wegener, aaO § 106 Rn. 5). Die wirksame Vormerkung vermittelt ihrem Inhaber bereits ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung den durch § 106 Abs. 1 InsO gewährten Schutz. Das gilt auch dann, wenn sich der künftige vormerkungsgesicherte Anspruch erst nachträglich in einen existenten umwandelt (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2001, aaO S. 5 f; Uhlenbruck/Wegener, aaO Rn. 6; Obermüller, ZIP 2013, 299, 300), sofern sich der Anspruchserwerb trotz Insolvenzeröffnung noch vollenden kann (vgl. Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, 1999, § 106 Rn. 8). Auf den Entstehungszeitpunkt des Anspruchs kommt es für den Insolvenzschutz nach § 106 Abs. 1 InsO nicht an (vgl. Uhlenbruck/Wegener, aaO). Die Sicherungswirkung kann zwar erst nach der Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden, dann jedoch mit rückwirkender Kraft ab Eintragung der Vormerkung (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1980 – V ZR 95/79, NJW 1981, 446 f; vom 14. September 2001, aaO S. 5; Denck, NJW 1984, 1009, 1010 f).

 

(c) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hängt die Schutzwirkung des § 106 Abs. 1 InsO nicht vom Rechtsgrund der gesicherten Forderung ab.

(aa) In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, der Vormerkungsschutz des § 106 Abs. 1 InsO gelte nicht bei einem unentgeltlichen Grundgeschäft (MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl., § 129 Rn. 61; Andres/Leithaus/Andres, InsO, 4. Aufl., § 106 Rn. 3; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 38; Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 65; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 21.95; Cranshaw/Hinkel, Gläubigerkommentar Anfechtungsrecht, 2. Aufl., § 4 AnfG Rn. 21; Schäfer in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 3. Aufl., § 134 G 119; zu §§ 24, 32,39 KO: Pape, EWiR 1988, 697 f). Im Kern wird argumentiert, § 106 Abs. 1 InsO verhindere lediglich die Vernichtung einer solchen Forderung nach Maßgabe der §§ 103 ff InsO, könne aber ihre Wirkung nicht über die allgemeinen insolvenzrechtlichen Grenzen – insbesondere des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO – hinaus verstärken (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg; Jaeger/Henckel jeweils aaO). Andernfalls wäre der Schuldner geradezu eingeladen, seine Immobilie rechtzeitig durch vormerkungsgesicherte Schenkungsversprechen zugunsten Nahestehender zu erhalten, die intern erst im Insolvenzfall des Schuldners davon Gebrauch machen dürften (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg, aaO).

 

(bb) Die Gegenmeinung (Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 106 Rn. 36 f; Reul in Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 2 Rn. 123; Jaeger/Jacoby, InsO, § 106 Rn. 15; zu § 24 KO: Gerhardt, ZIP 1988, 749 ff) will den Vormerkungsschutz des § 106 Abs. 1 InsO bei einem unentgeltlichen Grundgeschäft nicht einschränken. Argumentiert wird insbesondere mit dem Wortlaut der Norm und der aussonderungsgleichen Wirkung der Vormerkung.

 

(cc) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Der Vormerkungsschutz des § 106 Abs. 1 InsO gilt auch bei einem unentgeltlichen Grundgeschäft uneingeschränkt. Damit hält der Senat zugleich an dem Grundsatz fest (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1, 3 ff; vom 9. März 2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319 Rn. 12), dass aus der Vormerkungsfähigkeit eines Anspruchs nach § 883 Abs. 1 BGB dessen Insolvenzfestigkeit nach § 106 Abs. 1 InsO folgt.

 

Schon der mit § 883 Abs. 1 BGB übereinstimmende Wortlaut des § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO beschränkt seine Schutzwirkung weder auf Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen noch auf entgeltliche Verträge. Dadurch wird deutlich, dass eine Vormerkung gemäß § 883 Abs. 1 BGB durch § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO geschützt und der gesicherte Anspruch dem Wahlrecht des Verwalters aus § 103 InsO entzogen werden soll (vgl. FK-InsO/Wegener, 9. Aufl., § 106 Rn 2). Indes ist der Schuldgrund, auf dem der zu sichernde Anspruch beruht, für die Frage, ob der Anspruch durch Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883 Abs. 1 BGB gesichert werden kann, gleichgültig (so bereits BGH, Beschluss vom 19. Januar 1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115, 117; vgl. auch Staudinger/Kesseler, BGB, 2020, § 883 Rn. 70). Auch der Gesetzesbegründung zu dem mit § 106 InsO wortgleichen § 120 RegE lässt sich kein Anhaltspunkt für eine Einschränkung der mit der Vormerkung verbundenen Schutzwirkung entnehmen. Es wird im Gegenteil hervorgehoben, dass der Insolvenzverwalter auch bei einem gegenseitigen, von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllten Vertrag nicht die Möglichkeit erhalten solle, die Erfüllung des Vertrages aus der Insolvenzmasse abzulehnen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Vormerkung auch im Insolvenzverfahren „uneingeschränkt ihren Wert“ behält (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 146).

 

Im Hinblick auf Gesetzessystematik und Telos erscheint es ebenfalls nicht überzeugend, den Schutz des § 106 Abs. 1 InsO bei einem unentgeltlichen Grundgeschäft durch § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO zu begrenzen. Zwar spiegelt sich in § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO die allgemeine Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs wider (vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke/Behme, 4. Aufl., § 39 Rn. 9). § 106 InsO bewirkt aber, dass der Gegenstand des vormerkungsgesicherten Anspruchs schon nicht Bestandteil der Insolvenzmasse wird; er unterfällt daher nicht dem Anwendungsbereich des § 39 InsO (vgl. Jaeger/Jacoby, InsO, § 106 Rn. 15). Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Vormerkung. Danach steht und fällt die dingliche Rechtsposition aus der Vormerkung mit dem gesicherten Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175, 179; vom 26. Juli 2001 – VII ZR 203/00, ZIP 2001, 1705, 1706; vom 7. März 2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 142). Der gesicherte Anspruch muss zunächst wirksam entstanden sein und im Zeitpunkt der Geltendmachung auch noch wirksam bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1980 – V ZR 163/79, BGHZ 79, 103, 108). Zudem muss der Vormerkungsberechtigte immer auch gleichzeitig selbst der Inhaber der gesicherten Forderung sein; die Gläubigerstellung der Vormerkung und der Forderung kann nicht auseinanderfallen (vgl. Schmidt/Ringstmeier, InsO, 19. Aufl., § 106 Rn. 13). Der Grundsatz der Akzessorietät bezieht sich demnach nicht auf den wirtschaftlichen Charakter des Grundgeschäfts.

 

(d) Verleiht die Vormerkung auch bei einem unentgeltlichen Grundgeschäft eine insolvenzfeste Rechtsstellung nach § 106 Abs. 1 InsO, so veranlassen auch Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG nicht zur Änderung des anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes. In den Fällen der Gläubigeranfechtung bedarf es einer § 106 Abs. 1 InsO entsprechenden Vorschrift zur Begründung einer vormerkungsgesicherten Rechtsstellung nicht (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – IX ZR 203/06, WM 2010, 274 Rn. 8). Die Auflassungsvormerkung setzt sich gemäß § 883 Abs. 2 Satz 2, § 888 Abs. 1 BGB gegen eine nachrangige Zwangssicherungshypothek durch. Der Antrag auf Eintragung der Vormerkung wahrt nach § 17 GBO den Rang. In der Grundstückszwangsversteigerung ist die Auflassungsvormerkung durch die §§ 48, 52 Abs. 1 ZVG geschützt und kann dem Ersteher gemäß § 888 Abs. 1 BGB entgegengehalten werden. Schon die Grundstücksbeschlagnahme durch Anordnung der Zwangsversteigerung ist gegenüber der älteren Auflassungsvormerkung entsprechend § 883 Abs. 2 BGB wirkungslos (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO).

 

Eine Verschiebung des anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes kann nicht mit einer geringeren Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs gerechtfertigt werden. Es handelt sich um einen Umstand, den der Gesetzgeber mit der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Neufassung des Anfechtungsgesetzes im Rahmen des § 4 AnfG berücksichtigt hat. Insoweit ist die Rechtslage zum Nachteil des Anfechtungsgegners in doppelter Hinsicht verschärft worden (vgl. hierzu Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 9). Während § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG aF nur unentgeltliche Zuwendungen im letzten Jahr vor der Anfechtung erfasst und § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG aF diese Frist bei Ehegatten als Zuwendungsempfänger auf zwei Jahre verlängert hat, beträgt die Anfechtungsfrist nach § 4 AnfG (nF) einheitlich vier Jahre. Zudem wird die Vornahme der unentgeltlichen Leistung innerhalb dieser Frist zu Lasten des Anfechtungsgegners vermutet. Vor diesem Hintergrund weist die Revision zutreffend darauf hin, dass eine Abweichung von § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG zum Nachteil des Anfechtungsgegners eine zusätzliche Beeinträchtigung des unentgeltlichen Erwerbs bedeuten würde, die der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat.

 

(4) Der von dem Berufungsgericht vorgenommenen teleologischen Reduktion des § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG steht schließlich auch die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. Wann eine Rechtshandlung als vorgenommen gilt, war weder im Anfechtungsgesetz in der Fassung vom 1. Oktober 1879 noch in den Anfechtungsvorschriften der §§ 29 ff KO geregelt. Die damalige Rechtsprechung stellte grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs und bei Grundstücksgeschäften auf den Zeitpunkt der Eintragung ab (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17, 18; vom 18. Dezember 1986 – IX ZR 11/86, BGHZ 99, 274, 286; vom 28. Februar 1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393, 394 f; s. auch MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 2; Nerlich/Niehus, AnfG, § 8 Rn. 1; jeweils mwN). Diese Rechtsprechung war dem Gesetzgeber bei der Schaffung des § 8 Abs. 2 AnfG bekannt; die Vorverlagerung des anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes stellt eine bewusste Abkehr dar (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 166 f). In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die damit verbundenen Einschränkungen der Anfechtbarkeit im Vergleich zur geltenden Rechtsprechung hingenommen werden müssten (BT-Drucks. 12/2443, S. 167). Eine Differenzierung nach dem wirtschaftlichen Charakter des Grundgeschäfts bei vormerkungsgesicherten Ansprüchen ist nicht vorgenommen worden.

 

e) Aufgrund des Ablaufs der Vierjahresfrist kann eine Anfechtung auch nicht auf § 3 Abs. 4 AnfG gestützt werden.

 

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten kommt eine Anfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG in Betracht. Das Berufungsgericht wird daher die von seinem Rechtsstandpunkt nicht erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung nachzuholen haben. Eine Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 1 AnfG ist nicht bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen.(…)”

Resümee

Es bleibt spannend, wie die Streitsache ausgehen wird, denn hat der BGH zwar die Anfechtbarkeit nach § 4 Abs. 1 und § 3 Abs.4 AnfG verneint; aber eine Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 AnfG in den Raum gestellt, zu dessen Klärung nun das Berufungsgericht gefordert sein wird.

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