Was jeder über den Pflichtteil wissen muss
Die Regelungen zum Pflichtteil sind für viele ein komplexes Thema, besonders wenn es um die Erstellung eines Testaments geht. Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil, wie wird er berechnet und... Mehr lesen...
Autor: Jörg Matthews
Thema: Erbrecht
Veröffentlicht am: 30. Juli 2021
Das Oberlandesgericht München hatte in mehreren Entscheidungen vom 5.5.2020 zu klären, welcher Testierwille bei zwei im Wesentlichen gleichlautenden Testamenten vom selben Tag vorliegt.
Die Texte unterschieden sich darin, dass der beim Erblasser verbliebene Text den Zusatz „meiner Cousine“ vor dem Namen der eingesetzten Erbin enthielt. Das Schriftstück, das der Cousine übergeben wurde, enthielt diesen Zusatz nicht. Im Gegensatz zu dem beim Erblasser verbliebenen Text, enthielt das Schriftstück der Cousine Gliederungsziffern vor den Absätzen. In der Folgezeit zerstörte der Erblasser das bei ihm verbliebene Testament, das der Cousine übergebene Schriftstück wurde jedoch nicht vernichtet. Die in Betracht kommenden (gesetzlichen) Erben stritten nach dem Tod des Erblassers mit der Cousine des Erblassers darüber, ob deren Einsetzung zur Alleinerbin (noch) wirksam war. § 2255 BGB räumt dem Erblasser das Recht ein, ein handschriftlich errichtetes Testament durch Vernichtung der Testamentsurkunde zu widerrufen. Wäre im vorliegenden Fall das zweite Schriftstück lediglich eine Kopie des Testaments gewesen, entfiele nach der Vernichtung des dann einzigen Originaltestaments die Einsetzung der Cousine zur Alleinerbin. Nach Ansicht des OLG München handelte es sich jedoch um 2 identische und wirksam errichtete Originaltestamente. Dies machte das OLG München daran fest, dass das der Cousine übergegebene Schriftstück in „Schönschrift“ geschrieben und mit Gliederungsnummern versehen war. Dies spreche gegen eine bloße Kopie. Da der Erblasser jedoch nur eines der Schriftstücke vernichtet habe, ist das bei der Cousine befindliche Testament weiter wirksam. Diese ist Alleinerbin geworden.
Praxis-Tipp: Wer zur Niederlegung seines letzten Willens mehrere inhaltsgleiche Schriftstücke erstellt – sei es, um sich später daran zu erinnern, was im Testament steht, zur Sicherheit, falls ein Schriftstück untergeht, oder um den bedachten Erben vom letzten Willen in Kenntnis zu setzen – sollte auf dem Schriftstück klarstellen, ob es sich um ein weiteres Originaltestament oder um eine schlichte Kopie handelt. Ist eine Kopie gewünscht, empfiehlt es sich, eine Fotokopie oder ein Foto zu machen, statt das Testament eigenhändig nochmals abzuschreiben und zu unterschreiben (und somit möglicherweise, wie im hier entschiedenen Fall, ein weiteres formwirksames Testament zu erstellen). Soll das Testament später widerrufen werden, sind sämtliche Originale zu zerstören. Sind Testamentsurkunden im Umlauf, die nicht (rechtzeitig) zurückgeholt werden können, kann und sollte in einem neuen Testament der ausdrückliche Widerruf aller früheren letztwilligen Verfügungen erklärt werden. Diese verlieren mit der Widerrufserklärung in einem neuen Testament ihre Wirksamkeit, unabhängig davon, ob sie zerstört wurden (vgl. § 2254 BGB).
OLG München, Beschl. v. 5.5.2020 – AZ: 31 Wx 246/19, 31 Wx 247/19, 31 Wx 248/19, 31 Wx 249/19, 31 Wx 269/19
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