Maßregelungsverbot – Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten
- 16. Juni 2023 - 11:04
- | Frank P. Gäbelein
Gemäß § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (Maßregelungsverbot).
Hauptanwendungsfall der arbeitgeberseitigen Maßnahme, die gegen § 612a BGB verstoßen kann, ist dabei der Ausspruch einer Kündigung.
Maßgebliches Prüfungsmerkmal im Rahmen des § 612 a BGB ist die erforderliche Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers (in der Regel der Ausspruch der Kündigung).
Im Rahmen eines aktuellen Urteils vom 30.03.2023 (Az. 2 AZR 309/22) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt war die Klägerin seit dem 01.02.2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, beschäftigt. Die Klägerin wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt und war nicht bereit, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen und nahm entsprechende Impfangebote ihrer Arbeitgeberin nicht wahr. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG mit Schreiben vom 22. Juli 2021 ordentlich fristgemäß zum 31. August 2021. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt und insbesondere geltend gemacht, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Vor Wirksamwerden der ab dem 15. März 2022 geltenden Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises für das Krankenhauspersonal (vgl. § 20a IfSG) sei sie nicht zu einer Impfung verpflichtet gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage der Klägerin abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Das BAG hat insoweit ausgeführt, dass das Berufungsgericht zutreffend angenommen habe, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehle an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers.
Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22 – Pressemitteilung 18/23 vom 30.03.2023
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Frank P. Gäbelein
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