Kontakt
Rechtsanwalt Frank P. Gäbelein

Arbeitszeugnis – kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schlussformulierung

Autor: Frank P. Gäbelein

Thema: Arbeitsrecht (Arbeitnehmer)

Veröffentlicht am: 23. Juni 2022

Gemäß § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, welches mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthält. Der Arbeitnehmer kann darüber hinaus verlangen, dass sich die Angaben auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (qualifiziertes Arbeitszeugnis).

 

Zwischen den Arbeitsvertragsparteien kommt es mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig zu der Streitfrage, ob der Arbeitgeber bei Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses dazu verpflichtet ist, diese mit einer Schlussformulierung zu versehen, im Rahmen derer er dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünscht.

 

Im Rahmen eines nunmehr veröffentlichten Urteils vom 25.01.2022 (9 AZR 146/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Aufnahme einer Dankes- und Wunschformel in Arbeitszeugnis hat, und insoweit ein Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.01.2021 aufgehoben.

 

Das BAG führt in seiner Entscheidung zunächst aus, dass es an seiner Rechtsprechung, wonach der Arbeitnehmer unmittelbar aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann, uneingeschränkt festhält. Auch eine fassungskonforme Auslegung der Vorschrift führe zu keinem anderen Ergebnis.

 

Wäre eine Dankes- und Wunschformel integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, innere Gedanken über und Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern. Hierdurch würde seine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte negative Meinungsfreiheit beeinträchtigt, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern und insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, eine fremde Meinung als eigene zu verbreiten.

Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts handele es sich bei einer Dankes- und Wunschformel nicht um eine bloße Höflichkeitsformel ohne Beziehung zur Wirklichkeit. Selbst wenn Arbeitgeber die Schlussformel teilweise nur floskelhaft aus Gründen der Höflichkeit verwenden, ohne die mitgeteilten Gefühle zu empfinden, enthält sie überprüfbare innere Tatsachen. Der Arbeitgeber kann Dank empfinden und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen oder auch nicht. Ist die Tatsachenbehauptung wahr, unterfällt ihre Äußerung wie ihre Nichtäußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit.
Der Eingriff in den Schutzbereich wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass eine Vielzahl von Arbeitgebern dazu übergegangen ist, Schlussformeln in ihre Arbeitszeugnisse aufzunehmen, und deshalb entsprechendes von anderen Zeugnisverfassern erwartet. Erst recht kann ein Arbeitgeber, der seinem ausscheidenden Arbeitnehmer gegenüber weder Dank empfindet noch ihm eine positive Zukunft wünscht, nicht gezwungen werden, aus Höflichkeit oder aufgrund einer Erwartungshaltung Dritter eine unwahre Erklärung über seine innere Haltung abzugeben. Dies stände weder im Einklang mit dem einfachgesetzlichen Verbot der Zeugniswahrheit noch mit der negativen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der negativen Meinungsfreiheit des Arbeitgebers und der geringen Relevanz bei der Realisierung des Zeugniszwecks besteht weder ein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Arbeitszeugnis mit entsprechender Schlussformel noch eine Verpflichtung des Arbeitgebers, ein solches zu erteilen.

 

Ein Anspruch des Arbeitnehmers sei darüber hinaus auch bei einer leicht überdurchschnittlichen Bewertung nicht aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO abzuleiten.

 

Das Rücksichtnahmegebot kann nach den Ausführungen des BAG nicht herangezogen werden, um abschließende gesetzliche Regelungen zu erweitern. Die Regelung zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO sei abschließend. Der Gesetzgeber habe dort ausdrücklich aufgelistet, auf welche Inhalte ein Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 109 GewO am 24. August 2002 die kurz zuvor ergangene Entscheidung des Senats, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Schlussformel hat (vgl. BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00) gekannt. Im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung, § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO nicht um weitere Inhalte zu ergänzen, würde die Ableitung eines Anspruchs aus § 241 Abs. 2 BGB die Grenzen zulässiger Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022 –9 AZR 146/21

Landkarte Bayern
Standort Symbol
Kanzlei Fürth

Hallstraße 9
90762 Fürth
0 911 76675 0

Standort Symbol
Kanzlei Ansbach

Karlstraße 9
91522 Ansbach
0 981 953196 0

Standort Symbol
Kanzlei Bamberg

Friedrichstraße 15
96047 Bamberg
0 951 29743 0

Standort Symbol
Kanzlei München

Ohmstraße 7/I
80802 München
0 899 99545 0

Standort Symbol
Kanzlei Neustadt

Wilhelmstraße 26
91413 Neustadt/Aisch
0 916 181390 0

Standort Symbol
Kanzlei Würzburg

Winterleitenweg 19
97082 Würzburg
0 931 940341 0

Kontaktieren Sie uns gerne!

Sie suchen einen Anwalt in Fürth, Neustadt, Bamberg, Ansbach, Würzburg oder München?

Auf uns können Sie sich verlassen. Wir beraten Sie zu Ihrem Rechtsanliegen und finden individuell für Sie die beste Lösung. Gerne können Sie auch unser eMandat nutzen, um uns Ihren Fall ganz unkompliziert zu schildern.

Weitere Beiträge

 - Rechtsanwalt bei Raab und Kollegen Frank P. Gäbelein

5. April 2023

Kündigung einer ungeimpften medizinischen Fachangestellten

Maßregelungsverbot – Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten   Gemäß § 612a BGB ist es Arbeitgebern untersagt, Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil diese ihre Rechte in zulässiger Weise... Mehr lesen...

 - Rechtsanwalt bei Raab und Kollegen Sebastian Kern

23. März 2023

Wer in eine länger geöffnete Fahrzeugtür fährt trägt ein Mitverschulden

Das LG Saarbrücken hatte sich mit der Frage zu befassen, ob den Kläger ein Mitverschulden trifft, wenn er mit seinem Auto die schon länger geöffnete Tür eines anderen am Fahrbahnrand... Mehr lesen...

 - Rechtsanwalt bei Raab und Kollegen Sebastian Kern

15. März 2023

Kein „rechts vor links“ auf Parkplätzen ohne eindeutige Regelung | Verkehrsrecht

Der sechste Zivilrechtssenat des BGH hatte im November 2022 darüber zu entscheiden, ob auf einem Parkplatz die allgemeine Verkehrsregel "rechts vor links" Anwendung findet.   Auf dem Parkplatz eines Baumarktes... Mehr lesen...

 - Rechtsanwalt bei Raab und Kollegen Sebastian Kern

8. März 2023

Verkehrsrecht – Hupen reicht nicht aus

Auch wer hupt, muss die Gefahr weiterhin im Auge behalten. In seinem Urteil vom 20.01.2023 entschied das LG Saarbrücken, dass ein Hupen als Warnzeichen kein Vertrauen auf den Abbruch einer... Mehr lesen...

 - Rechtsanwalt bei Raab und Kollegen Frank P. Gäbelein

1. März 2023

Zulässigkeit unterschiedlich hoher Tarifzuschläge bei Nachtarbeit

Unterschiedliche Nachtarbeitszuschläge: Warum unregelmäßige Nachtarbeit höher vergütet wird   In der Arbeitswelt und vor allem in der Lebensmittelindustrie gibt es häufig Tarifverträge, die für unregelmäßige Nachtarbeit höhere Zuschläge vorsehen als... Mehr lesen...