Zur Verjährung des § 266 a StGB – sollte Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen sogar später verjähren können als Todschlag?!

Gestzlich geregelt ist: Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen, strafbar nach § 266 a StBG verjährt nach Ablauf von 5 Jahren nach Beendigung der Tat.

Jahrzehnte lang stand in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fest: Für § 266 a StGB beginnt die Verjährungsfrist erst nach Wegfall der Beitragspflicht. Als so genanntes echtes Unterlassungsdelikt könne die Verjährungsfrist erst mit dem Wegfall der Pflicht zum Abführen der Beiträge beendet sein. Dieser Wegfall geschieht regelmäßig durch das schlichte bezahlen der Beiträge. Im Falle der Schieflage oder gar Insolvenz des Beitragspflichtigen bzw. des beitragspflichten Unternehmens, kann ein Wegfall der Beitragspflicht auch mit der Liquidation des Unternehmens einhergehen.

Kommt es jedoch dazu, dass ein Unternehmen in der Insolvenz nicht liquidiert, sondern fortgeführt und gerettet wird, so kann die Beitragspflicht, werden die Beiträge nicht gezahlt, sondern zur Insolvenztabelle angemeldet nicht erlöschen. Damit ist die Tat nicht beendet und die Verjährungsfrist beginnt nicht zu laufen.

Nunmehr ist dies vom Gesetzgeber natürlich limitiert, (fast) kein Delikt verjährt niemals. Jedoch kann hierbei die spätest mögliche Verjährung erst nach 35 Jahren eintreten. Mit Verjährungshemmungen kann sich dieser Zeitraum sogar auf bis zu 41 Jahre verlängern. Zum Vergleich: Mord verjährt zwar nie, Todschlag jedoch nach bereits 20 Jahren.

Jahrzehntelang war diese Praxis von den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht hinterfragt worden, was umso verwunderlicher ist, da es allein rechtspolitisch eine Rechtsfolge aufwerfen kann, die mit den Grundgedanken des deutschen Strafrechtes nicht vereinbar zu sein scheint.

Mit einem Urteil von Ende 2018 (erst kürzlich veröffentlicht) wendet sich mit dem Landgericht Baden-Baden erstmals seit längerem wieder ein Strafgericht gegen diese Rechtsprechung. Es sei mit den Grundgedanken des deutschen Strafrechts nicht vereinbar (u.a. ultima ratio Prinzip), dass die Beendigung einer Tat derart weit in die Zukunft verlagert werden kann. Hierbei müsse auch beachtet werden, dass der „Erfolg“ des Nichtabführens der Sozialversicherungsbeträge, der Vermögensschaden der Kassen, ja bereits eingetreten ist sobald Beiträge rückständig sind. Dies dürfe nicht anders behandelt werden als etwa der Erfolgseintritt beim Betrug.

Für zukünftige Fälle sollte demnach ein stärkerer Fokus auf die Kontrolle der Zeiträume der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bzw. der angeklagten oder per Strafbefehl abgehandelten Fälle des § 266 a geführt werden. Solange der Bundesgerichtshof sich nicht erneut mit diesem Thema beschäftigt hat, besteht die Hoffnung, dass sich auch andere Strafgerichte unter Verweis auf das bahnbrechend mutige Urteil des LG Baden-Baden zu einer Verfahrenseinstellung wegen Verjährung bewegen lassen.

Urteil des LG Baden-Baden vom 12.11.2018, Az. 6 Ns 305 Js 5919/16

20.12.2019, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen