Auswirkungen der Corona-Krise auf das Insolvenzrecht

Am 28.03.2020 ist mit Rückwirkung zum 01.03.2020 das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ in Kraft getreten.

 

Was wird nun genau von dem sogenannten COVInsAG geregelt und welche Auswirkungen hat es auf die weitere Insolvenz-praxis?

 

1. Regelungen des COVInsAG

 

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht stellt die zentrale Norm des neuen Gesetzes dar. Diese ist zunächst befristet bis zum 30.09.2020. Das Gesetz kann jedoch bis zum 31.03.2021 durch eine Rechtsverordnung des Bundesjustizministeriums verlängert werden.

 

Wenn zum 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit bestand, wird nach dem Gesetz vermutet, dass die Ursachen der Krise auf der COVID-19 Pandemie beruhen. Damit ist die Insolvenzantragspflicht aktuell defacto ausgesetzt und damit die Haftung der Geschäftsführungsorgane, zumindest in Teilbereichen, reduziert. Liegt aber ein Liquiditätsengpass vor, ist es allerdings fraglich, ob es dem Unternehmer tatsächlich hilft, dass momentan keine Insolvenzantragspflicht besteht. Insbesondere bietet das Insolvenzverfahren ein bewährtes Instrumentarium zur rechtssicheren Sanierung von Unternehmen (vgl. Ziffer 2).

 

Einschränkung von Fremdanträgen

Ferner wurde das Antragsrecht für Gläubiger dahingehend eingeschränkt, dass die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bei zwischen dem 28.03.2020 und 28.06.2020 gestellten Gläubigeranträgen bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben muss.

 

Vereinfachung von Kreditgewährungen durch Anfechtungsausschluss

Zudem sieht das Gesetz Erleichterungen bei der Vergabe von Darlehen vor. Soweit die Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO einschlägig sind, so sind Rückzahlungen von Darlehen üblicherweise genauso anfechtbar, wie andere Leistungen an Gläubiger. Diese bei Gläubigern gefürchteten Anfechtungsmöglichkeiten werden nunmehr bei „Neudarlehen“ ausgeschlossen. Ein Ausschluss findet dann statt, wenn das Darlehen im Zeitraum vom 01.03.2020 bis 30.09.2020 gewährt wurde und die Rückzahlung bis zum 30.09.2023 erfolgt.

 

In Bezug auf Gesellschafterdarlehen ist festzuhalten, dass diese ebenfalls binnen dieser Fristen privilegiert werden. In der Regel stellen Gesellschafterdarlehen nachrangige Insolvenzforderungen i.S.v. § 39 InsO dar. Eine Berücksichtigung im Insolvenzverfahren findet aufgrund dieser Nachrangigkeit fast nie statt. Neu ausgereichte Darlehen werden nunmehr zu Insolvenzforderungen nach § 38 InsO aufgewertet. Damit ist eine zumindest quotale Befriedigung im Insolvenzverfahren wesentlich wahrscheinlicher.

 

Hinsichtlich der üblichen Gläubiger wurde im Gesetz ein Anfechtungsausschluss vereinbart, wenn den Gläubigern nicht bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet waren. Diese Privilegierung bezieht sich jedoch nur auf die sogenannte Kongruenzanfechtung. Der Gläubiger muss also einen Anspruch auf die Leistung haben.

 

Haftung der Organe

Die Haftung der Organe für Zahlungen die bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes vorgenommen werden, ist an sich relativ streng geregelt. Bis auf wenige Ausnahmen ist hier regelmäßig eine persönliche Haftung der Geschäftsführungsorgane gegeben. Auch diesbezüglich schafft das COVInsAG Erleichterungen. Das Gesetz nimmt nunmehr alle Zahlungen davon aus, welche der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Neuausrichtung im Rahmen einer Sanierung dienen.

 

Zusammenfassung und Wertung

Das COVInsAG zielt darauf ab, eine Flut von Insolvenzanträgen zu verhindern, die Fortführung von Unternehmen, die pandemiebedingt in Schwierigkeiten geraten sind, zu erleichtern und die Risiken für Geschäftsführungsorgane und Gläubiger bei Sanierungsbemühungen zu reduzieren. Die akuten Liquiditätsprobleme löst das Gesetz naturgemäß jedoch nicht.

 

2. Die (vorläufige) Insolvenzverwaltung / Eigenverwaltung als Sanierungsoption

Angesichts der dargestellten Änderungen stellt sich nun die Frage, ob diese den Unternehmen in der aktuellen Krise tatsächlich helfen. Auf den ersten Blick erscheint dies so. Wie eingangs jedoch erwähnt, hilft es den Unternehmen wohl wenig, dass Sie aktuell keine Insolvenzantragspflicht trifft, wenn erhebliche Liquiditätsengpässe auftreten, die nicht beseitigt werden können.

 

Auch wenn die aktuellen Einschränkungen wieder gelockert werden und unser Wirtschaftsleben wieder Fahrt annimmt, sollten wir uns dessen bewusst sein, dass es sicherlich mehrere Monate dauern wird, bis der „Normalzustand“ wiederhergestellt ist. Da hilft es den Unternehmen wenig, wenn diese jetzt an günstige Kredite kommen, welche in der Zukunft auch bedient werden müssen. Die Kreditaufnahme zur Finanzierung des „Corona-Ausfalls“ erscheint daher nur wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Ausfälle in Zukunft durch entsprechende Mehreinnahmen voraussichtlich kompensiert werden können.

 

Besteht hierauf keine realistische Aussicht und können keine entsprechenden Verzichtsregelungen mit den Gläubigern vereinbart werden, kann eine Sanierung mittels Insolvenzverfahren zur Herbeiführung eines Schuldenschnittes die sinnvollere Alternative darstellen.

 

In einem vorläufigen Insolvenzverfahren kann der Betrieb in der Regel zunächst ohne Lohnkosten stabilisiert werden. In diesem Zeitraum kann das Unternehmen restrukturiert und eine Übernahmelösung vorbereitet werden. Mittels Insolvenzplan bzw. übertragender Sanierung kann ein Schuldenschnitt erfolgen, so dass nach einigen Monaten kein hochverschuldetes Unternehmen mit erdrückender Kreditlast übrigbleibt, sondern ein saniertes und restrukturiertes Unternehmen. Hilfreich wäre es hier eher, über eine Verlängerung des Insolvenzgeldzeitraums auf bis zu sechs Monate nachzudenken, um den Betrieb im Verfahren nachhaltig zu stabilisieren und die Chancen für eine Sanierung noch zu erhöhen.

 

Ob die Sanierung nun im Insolvenzverfahren, in Eigenverwaltung oder unter dem Schutzschirm erfolgt, sollte im Einzelfall abgewogen werden. Aufgrund der anfallenden Beratungskosten eignen sich Eigenverwaltung und Schutzschirm noch mehr eher für größere Unternehmen. Dies stellen jedoch auch Verfahren nach der Insolvenzordnung dar, so dass prinzipiell über die „normale“ Insolvenzverwaltung ähnliche Ergebnisse erzielt werden können.

 

In der Gesamtbetrachtung erscheint die Sanierung mittels eines Insolvenzverfahrens für viele Unternehmen trotz Aussetzung der Insolvenzantragspflicht derzeit eine sinnvolle, wenn nicht sogar die sinnvollere Variante.